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30. April: Tag des Rechts des Kindes auf gewaltfreie Erziehung

Kinderrechte gelten immer – erst recht in der Pandemie!

Die Frankfurter Kampagne „Stark durch Erziehung“ weist auf die Folgen der Pandemie für Familien, Kinder und Jugendliche hin 

Mehr als ein Drittel fühlt sich einsam, sieben von zehn Kindern und Jugendlichen sind seelisch belastet – das haben Studien der Universitäten in Frankfurt und Hildesheim sowie der Universitätsklinik Eppendorf in Hamburg jüngst gezeigt. Umso wichtiger sei es jetzt, die Situation von Kindern und Jugendlichen im Blick zu behalten, denn schon jetzt werden vermehrt soziale Ängste von Kindern sichtbar, mahnt die Frankfurter Kampagne „Stark durch Erziehung“. Dieses Bündnis, koordiniert vom Frankfurter Kinderbüro und dem Deutschen Kinderschutzbund, Bezirksverband Frankfurt, setzt sich für die Rechte von Kindern ein – allen voran für das Recht auf gewaltfreie Erziehung, das seit 2000 im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben ist.

Die jüngsten Studien, wie Kinder und Jugendliche ihren Alltag unter Pandemiebedingungen bewältigen, haben Alarmierendes ergeben: Jedes dritte befragte Kind leidet unter psychischen Belastungen. Beratungsstellen bemerken an Kindern und Jugendlichen eine Zunahme an Bewegungsmangel und zu viel Medienkonsum, und sie hören von mehr Streit in den Familien. Kinder- und Jugendpsychotherapeuten berichten von mehr Aggressionen und Schlafstörungen, Depressionen, Essstörungen, Versagensängsten, Schulverweigerung. Für Stefan Schäfer, Geschäftsführer des Frankfurter Kinderschutzbundes und einer der beiden Initiatoren der Frankfurter Kampagne „Stark durch Erziehung“, zeigt das vor allem eines: „Wir haben bei der Bewältigung der Pandemie die Kinder und Jugendlichen vollständig aus dem Blick verloren.“

Insbesondere das Wegbrechen der sozialen Kontakte außerhalb des Elternhauses habe sich für die Jüngsten der Gesellschaft verheerend ausgewirkt. Und, so Schäfer, diese Kaskade von schwer­wiegen­den Problemen zeige auch, wie essentiell die Peergroup ab einem gewissen Alter sei, um sich vom Elternhaus zu lösen und eine eigene Identität zu entwickeln. „Es ist entwicklungs­psychologisch enorm wichtig, dass Kinder es mit mehr Personen als den eigenen Eltern zu tun haben: mit dem guten Lehrer in der Schule, der Erzieherin in der Kita, den Leuten im Sportverein und eben auch Gleichaltrigen – angefangen bei ersten Spielerfahrungen im Kleinkindalter bis zur Peergruppenerfahrung in der Jugend.“  

Auch Sabine Stiller von der Kommunalen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in Frankfurt, die in der Kampagne 14 lokale Erziehungsberatungsstellen repräsentiert, befürchtet gravierende Folgen der Pandemie. „Wir hören von einer zunehmenden Zahl von Kindern und Jugendlichen, für die der Schritt über die Schwelle zur Schule zu groß geworden ist.“ Stiller nimmt vermehrt Ängste bei Kindern und Jugendlichen wahr, die sich in Versagensangst, Rückzug, Schulvermeidung bis hin zu Schulverweigerung äußern.

Das habe diverse Gründe, so die Expertin: „Kinder sind in der Regel sehr anpassungsfähig und haben sich, dem Gebot der Stunde zufolge, zurückgezogen. Die Welt draußen ist aufgrund der Pandemie unsicher geworden, und in Schule und Kita erhalten Kinder und Eltern die Botschaft, dass Anwesenheit nicht erwünscht ist. Nun fühlen sich die Kinder ganz wohl und sicher in dem kleinen Familienkokon. Doch genau dieser erzwungene Rückzug führt bei vielen Kindern gerade zu Ängsten. Je länger die Pandemie andauert, desto mehr Überwindung kostet es, zur Schule zu gehen, desto größer wird der `Dämon´ Schule.“

Im Jahresvergleich: fast 50 Prozent mehr Anrufe bei der „Nummer gegen Kummer“ des Kinderschutzbundes / „Auch Familien mit guten Ressourcen stoßen an ihre Grenzen“ 

Aber nicht nur Familien in sozial schwierigeren Verhältnissen tun sich in Corona-Zeiten zunehmend schwer. „Auch Familien mit eigentlich guten sozialen und finanziellen Ressourcen stoßen vermehrt an ihre Grenzen und fühlen sich überfordert, zumal offene Treffs oder die Betreuung durch Großeltern weggefallen sind“, so der Geschäftsführer des Frankfurter Kinderschutzbundes. „Auch diese Eltern rufen mittlerweile bei uns an, weil ihnen auffällt, dass sie ihren Kindern nicht mehr gerecht werden, sie ständig ihre Kinder beschimpfen, häufig laut werden, schreien und ihnen manchmal sogar Ohrfeigen verpassen, obwohl sie das doch eigentlich ablehnen. Das alles zeigt uns, wie sehr die aktuelle Situation Familien gerade destabilisiert. Und es wird eine ganze Zeit brauchen, bis das wieder geheilt wird.“ 

Schäfer belegt dies mit Zahlen aus 2020: „Im Vergleich zu Februar 2020, dem Referenzwert vor dem ersten Lockdown, haben sich die Anrufe im März beim bundesweiten Elterntelefon, der „Nummer gegen Kummer“, um 22,5 Prozent erhöht, einen Monat später bereits um 54,8 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr haben sich 2020 die Beratungen am Elterntelefon um 64 Prozent erhöht.  

Schlechte Noten für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

„Kinder und Jugendliche“, moniert Schäfer, „sind in der Corona-Pandemie viel zu wenig im Blick der Verantwortlichen und werden an den Entscheidungen, die sie betreffen, kaum beteiligt. Ihre Rechte werden nicht gesehen, nicht anerkannt, nicht gewürdigt.“ Wie wichtig diese Beteiligung ist, wird klar, wenn man die Folgen betrachtet, wenn sie ausbleibt, meint Schäfer: „Sie verlieren den Sinn dafür, dass ihre Stimme wichtig ist und dass sie selbst etwas bewirken können. Sie fühlen sich ohnmächtig.“

Dabei sei Beteiligung nicht gleichzusetzen mit einem „Wunschkonzert“. Vielmehr geht es laut „Stark durch Erziehung“ darum, Kindern und Jugendlichen ernsthaft zu vermitteln, dass sie gehört, ihre Gedanken, Gefühle und Meinungen ernstgenommen werden und dass zählt, was sie zu sagen haben. „Und es geht um Anerkennung“, meint Stiller: „Kinder und Jugendliche haben in diesem vergangenen Corona-Jahr sehr viel mitgetragen, sehr viel geleistet und sehr viel gelernt. Sicher ist es für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen nun wichtig, Lernstoff aufzufüllen; genauso wichtig ist aber, das Belastende aufzuarbeiten, das das vergangene Jahr mit sich gebracht habe. Und nicht zuletzt: Freundinnen und Freunde zu treffen, Sport zu machen – oder einfach ´nur` zu spielen.“

Zuhören, hinhören, hinsehen – in Krisenzeiten wie jetzt noch wichtiger

Damit die Kinder und Jugendlichen in den Institutionen Schule und Kita wieder ankommen können, sind deren Fachkräfte nach Ansicht der Frankfurter Kampagne „Stark durch Erziehung“ besonders gefordert. „Die Interessen und Belange von Kindern genau in den Blick zu nehmen ist wörtlich gemeint: Zuhören, hinhören und hinsehen – diesen Dreiklang an Zuwendung für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen braucht es in dieser verstörenden Pandemie-Krise besonders, will man nicht eine ganze Generation allein lassen“, ist Stiller überzeugt. „Nach dieser Pandemie werden wir eine gute soziale und pädagogische Infrastruktur brauchen, um das Viele zu heilen, das in diesem Jahr verletzt wurde.“

Die Kampagne „Stark durch Erziehung“ appelliert aber auch an die Eltern, viele von ihnen am Rande ihres Belastungsvermögens: „Holen Sie sich Hilfe, wenn Sie spüren, dass Ihre Kräfte schwinden oder Sie einen Rat brauchen.“ Denn das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung gilt immer, natürlich auch in Krisenzeiten wie einer Pandemie. Alle Frankfurter Institutionen, die in der Kampagne `Stark durch Erziehung´ vertreten sind, stehen hierfür bereit.

„Stark durch Erziehung“ 2021

Initiatoren der Kampagne

Deutscher Kinderschutzbund, Bezirksverband Frankfurt am Main

Der Frankfurter Kinderschutzbund setzt sich mit Lobbyarbeit und konkreten Angeboten in den Bereichen Prävention und Frühe Hilfen, Beratung, Hilfen und Schutz bei Gewalt und kultureller Bildung für die Rechte und den Schutz von Kindern ein. Kontakt: Geschäftsstelle, Comeniusstraße 37, 60389 Frankfurt, Tel. 069 970 901 10, dksb(at)kinderschutzbund-frankfurt.de , www.kinderschutzbund-frankfurt.de.

Frankfurter Kinderbüro

Das Frankfurter Kinderbüro ist die kommunale Interessenvertretung für alle Kinder der Stadt Frankfurt. Es wahrt die Interessen der Kinder und setzt sich für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ein. Kontakt: Dr. Susanne Feuerbach, Frankfurter Kinderbüro, Schleiermacherstr. 7, 60316 Frankfurt, Tel. 069 212 390 01, susanne.feuerbach(at)stadt-frankfurt.de

Beteiligte Institutionen

Team Kinder- und Jugendschutz beim Jugend- und Sozialamt Frankfurt am Main

Das Frankfurter Kinder- und Jugendschutztelefon des Jugend- und Sozialamtes der Stadt Frankfurt ist unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 20 10 111 an 365 Tagen im Jahr bis 23:00 Uhr erreichbar. Beratung für Eltern, Kinder und Jugendliche sowie alle, die sich Sorgen um Kinder machen, auf Wunsch auch anonym. Kinder-und-Jugendschutz(at)stadt-frankfurt.de; www.kinderschutz-frankfurt.de

Erziehungsberatung in Frankfurt

14 Erziehungsberatungsstellen in Frankfurt unterstützen Eltern, Kinder und Jugendliche bei Fragen der Entwicklung, Streit in der Familie, Trennung der Eltern, Schwierigkeiten in der Schule oder am Ausbildungsplatz – kostenlos und vertraulich. Kontakt: Sabine Stiller, Kommunale Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, Tel. 069 212 35126; www.ebffm.de

Familienbildung in Frankfurt am Main

Die Frankfurter Familienbildungsstätten bieten ein breites Spektrum an Information und Beratung, offenen Treffs, Kursen und Freizeitangeboten rund um die Themen Familie, Erziehung, Eltern-Sein und Gesundheit. Kontakt: Barbara Conrad-Langner, c/o Nachbarschaftszentrum Ostend; Waldschmidtstr. 39, 60316 Frankfurt, Tel. 069 43 96 45  barbara.conrad-langner(at)nbz-ostend.de; www.familienbildung-in-Frankfurt.de